Eröffnung, 8. Mai 2018, 19 Uhr
Ausstellung, 9. Mai – 22. Juni 2018
In seiner künstlerischen Praxis untersucht Johannes Porsch, wie bestimmte Elementen einer Struktur zusammengesetzt sind und wie sich diese Verhältnisse zueinander gestalten. Begriffe wie „Relation“, „Wechselseitigkeit“ und „Prozessualität“ dienen ihm dafür als Ausgangspunkt und Voraussetzung. In installativen und skulpturalen Setzungen, räumlichen Interventionen sowie Publikationen und Ausstellungsdisplays nimmt er Bedeutungsverschiebungen vor oder forciert bestehende Unklarheiten, um diese wiederum als Gestaltungselemente in Ausstellungs- und Publikationszusammenhängen zum Einsatz zu bringen. Porsch betreibt Methodenreflexion. Er verhandelt künstlerische Abbildungsverfahren oder Reproduktions- und Repräsentationsprozesse, die jedoch nicht nur dem Kunstschaffen eigen sind, sondern die sich auch auf übergeordnete, gesellschaftliche Zusammenhänge umlegen lassen.
„Der Begriff der künstlerischen Forschung erlaubt mir, meine eigene Arbeitsform dauerhaft neu zu definieren,“ so der Künstler über sein selbstreflexives Betätigungsfeld, in dem er die eigenen Strategien der Bedeutungsproduktion und des Hervorbringens von Wirklichkeit immer wieder zur Disposition stellt: „Dies geschieht allerdings weniger über den Begriff an sich, als über ein Aufrufen historischer und gegenwärtiger künstlerischer Positionen, über ein Referenzfeld, mit dem ich mich in meiner künstlerischen und kuratorischen Praxis sowie in meiner Tätigkeit als Autor auseinandersetze. Die Wissenschaft ist für mich kein paradigmatisches Modell. Die künstlerische Forschung bringt eine gewisse Ambivalenz mit sich, deren Uneindeutigkeit nur im Prozess der künstlerischen Produktion, also im Schaffen selbst, geklärt werden kann.“
Für den Kunstraum Lakeside setzt Johannes Porsch eine Recherche fort, die er 2017 unter dem Titel Tropology erstmals im Kunstpavillon Innsbruck veröffentlicht hat. Tropen bezeichnen sprachliche Figuren, die nicht im eigentlichen Sinn, sondern bildhaft gebraucht werden und die mit Porschs Methode der Bedeutungsverschiebung und -ersetzung korrespondieren. Was in Tropen geäußert wird, ist also nicht buchstäblich, sondern im Abkommen von einer Richtung oder eines gegebenen Weges zu verstehen. Es handelt sich um Formen der Uneigentlichkeit. In der dauerhaften Wendung und im Richtungswechsel, im Ersetzen eines Bedeutungsfeldes durch ein anderes, entziehen sich Tropen der eindeutigen semantischen Bestimmung und unterwandern damit normative Muster und Hegemonien.
„Für Rhetoriker, Grammatiker und Sprachtheoretiker sind Tropen Abweichungen vom wörtlichen, üblichen oder ‚eigentlichen‘ Sprachgebrauch, Abweichungen in der Redeweise, die weder durch Gewohnheit noch durch Logik sanktioniert sind,“ schreibt der Historiker und Literaturwissenschafter Hayden White in Tropics of Discourse: „Tropen erzeugen Rede- und Gedankenfiguren dadurch, dass sie von dem, was ‚normalerweise‘ erwartet wird, abweichen und durch die Verbindungen, die sie zwischen den Vorstellungen herstellen, die als nicht zusammengehörend oder als in anderer Weise miteinander verbunden empfunden werden, als es in der verwendeten Trope nahegelegt wird. Wenn die Trope als das sprachliche Äquivalent eines psychischen Abwehrmechanismus gesehen werden kann, ist sie nicht nur ein Abweichung von einer möglichen Bedeutung, sondern immer auch eine Abweichung hin zu einer anderen Bedeutung, Auffassung oder Vorstellung, was ‚in Wirklichkeit‘ richtig, angemessen und wahr ist.“
Auf Johannes Porschs Ausstellung Tropology im Kunstraum Lakeside angewendet, bedeutet die Beschäftigung mit der Trope als Figur ein Spiel mit Übertragungsformen und den dazugehörigen Codes, Mustern und Fehlern. Der Künstler arbeitet mit den bestehenden räumlichen, kommunikativen und institutionellen Bedingungen des Kunstraums. Die Architektur, ihre Gestaltung, die von Josef Dabernig entworfene Ausstattung des Raums, seine Einbindung in einen Wissenschafts- und Technologiepark sowie die Kommunikationsstruktur, die hinter dem langjährigen Ausstellungsprogramm stehen, verhandelt Porsch mit minimalen Eingriffen.
Kaum merkliche Markierungen des modularen Ausstellungsdisplays oder architektonische Erweiterungen und Verdoppelungen der Infrastruktur führen ebenso zur Irritation wie die Änderungen im Corporate Design und in der Kommunikationsstrategie des Kunstraums. Johannes Porsch nimmt Raumansichten zum Ausgangspunkt und verschränkt diese gängige Form der fotografischen Dokumentation mit viralen Distributionsmechanismen wie man sie etwa aus der Modeindustrie kennt. Das massenmediale Zirkulieren dieser Bilder ist nicht nur der Profilierung eines Kunstraums dienlich, sondern auch der Konstruktion seiner Identität. Eine derartige kommunikative Verstrickung in gesellschaftliche Verhältnisse erlaubt es dem Künstler, (Produktions-)Verhältnisse sichtbar zu machen und im mimetischen Nachvollzug ebendieser einen ästhetischen Effekt in seinem eigenen Kunstschaffen zu zeitigen. Im Zentrum Johannes Porschs Praxis steht stets die Frage, welche Formen der Bedeutungsproduktion heute im Körper der Gesellschaft kursieren und wie diese Formen extrahiert und zu immer neuen Formen moduliert werden können.
Zitat: Hayden White, Tropics of Discourse, John Hopkins Press, Baltimore and London 1978, S. 2 ff.
Johannes Porsch (* 1970 in Österreich) lebt und arbeitet in Wien.