Sophie Dvořák — SYNTAX

Permanente Installation
Eröffnung, 8. April 2025, 18 Uhr

Sophie Dvořáks Kunstwerke haben eines gemeinsam: Ihre Zeichnungen, Collagen und Objekte sind Sammlungen. Künstlerische Neu- oder Wiederzusammenstellungen von Informationen, von Daten, von Material. Datenmaterial, das in verarbeiteter Form, etwa als Landkarten, Enzyklopädien oder mythologische Narrative bereits in unserer Welt zirkuliert und als solche die Funktion von Interpretationswerkzeugen erfüllt. Dieses Datenmaterial konfrontiert die Künstlerin mit Fragen nach räumlichen Beziehungen und ästhetischen Potenzialen. Mit der künstlerischen Intervention SYNTAX unternimmt die Künstlerin im Lakeside Science & Technology-Park die Kartierung eines besonderen Ortes, eines Übergangsortes. Bei der Gestaltung der Eingangsbereiche auf einer Etage im neu errichteten Parkhaus handelt es sich aber nicht nur um eine ästhetische Intervention, sondern vielmehr noch um eine abstrahierte Ortsbeschreibung, und zwar eben an jenem Ort, der beschrieben wird. Das Zeichenvokabular, das Dvořák am Parkdeck vorgefunden hat, informelle Markierungen wie Graffitis, amtliche Brandschutzzeichen oder Fluchtwegschilder, hat sie in konkrete Farbpaletten und Symbole übersetzt, die nun wie kartografische Legenden – als Interpretationswerkzeuge – an den Betonwänden haften. Die Farben und Formen des Innenraums, der Architektur und ihrer der Orientierung dienenden Ausstattung, die Farben und Formen des Außenraums, der Blick in die umliegende Natur wie den Wald und auf den nahegelegenen See, werden hier zu einem Kommentar über den Technologiepark selbst.

Denn die von Dvořák kondensierte Information zeugt nicht zuletzt davon, wie beliebig die Relation zwischen Zeichen und dem Bezeichneten ist, also zwischen konventioneller Abstraktion und Welt oder Wirklichkeit. Durch die konzeptuelle, räumliche und ästhetische Vermessung derartiger Relationen führt die Künstlerin die Spielräume vor, die bei der Interpretation von Daten, Daten über die Welt, möglich sind. Durch die Annotation eines Ortes mit dessen eigenen formalen Mitteln und am Ort selbst erzeugt die Künstlerin eine selbstreflexive Beobachtungs- und Wahrnehmungsschleife. Es handelt sich dabei um einen Glitch, der Passant*innen – im Vorübergehen – erlaubt, eine ästhetische Erfahrung zu machen und – im Innehalten – die eigene Beobachtung zu beobachten: Was sehe ich hier eigentlich? Worüber versucht mich diese Legende zu informieren? An welchem Ort befinde ich mich gerade? Die Relationen zwischen den von Dvořák verwendeten Farben und Symbolen und ihrer unmittelbaren (räumlichen) Umgebung sind manchmal offensichtlicher, manchmal von weiter her geholt. Die Künstlerin nutzt die von ihr geschaffenen Spielräume aus.

Der Kunsthistoriker und Künstler Hans Dieter Huber beschreibt die Vermessung als ambivalenten Vorgang, der die Welt unterscheidet in „einen vermessenen Teil und einen, der die Messung vornimmt“, wobei „derjenige Teil, der misst, wiederum selbst nicht vermessen werden [kann]“.* Sophie Dvořák führt in SYNTAX mit ihrer künstlerischen Reflexion unter Einbindung wissenschaftlicher Mittel und Methoden eine Beobachtung zweiter Ordnung ein – oder zumindest die Möglichkeit zu einer solchen Form der simultanen Reflexion und Selbstreflexion. „Das ist das Paradox der Vermessung und gleichzeitig ihre Vermessenheit“, so Huber des Weiteren über die Blindheit, die jedem Messvorgang, jeder wissenschaftlichen Operation eingeschrieben ist: „Ein Messergebnis ist eine Form, die immer zwei Seiten hat, nämlich eine vermessene Innenseite und eine nicht vermessene Außenseite. Die nicht vermessene Außenseite ist der Punkt, an dem die Welt verschwindet, an dem sie unsichtbar, unbeobachtbar, verdeckt, latent und ausgeschlossen wird.“** Diese Unbeobachtbarkeit macht die Künstlerin mit ihrem konzentrierten Formen- und Farbenspiel beobachtbar, indem sie erste und zweite Ordnung, das Innen und Außen der Vermessung in Schwebe hält.

* Hans Dieter Huber, „Vermessene Ansprüche“, in: Kunsthaus Graz (Hg.): Vermessung der Welt. Heterotopien und Wissensräume in der Kunst, Köln 2011, S. 20–31, hier: S. 21.
** Ebenda.

Sophie Dvořák (* 1978 in Österreich) lebt und arbeitet in Wien.
www.sophiedvorak.net

 

Sophie Dvořák, SYNTAX (Entwurf), 2025