Olena Newkryta — (IMAGE) (COSMOS) (ZERO) (STAR)

Eröffnung, 8. April 2025, 18 Uhr
Ausstellung, 9. April – 23. Mai 2025

Olena Newkryta präsentiert in ihrer Ausstellung (IMAGE) (COSMOS) (ZERO) (STAR) verschiedene Arbeiten, die sich mit Technologien der Bildgenerierung, Interpretation und Datenverarbeitung im Bereich der Wissensproduktion auseinandersetzen. Dabei beleuchtet sie, wie eng das komplexe Gefüge von Daten, Strukturen und (Welt-)Ordnungen mit post- und neokolonialistischen Machtmechanismen verflochten ist. In ihrer kritischen Verschränkung von Vergangenheit und Gegenwart gibt die Künstlerin gleichzeitig alternativen Formen der Wissensproduktion Raum.

Die zentrale audiovisuelle Installation This Aggregate of Images that is the Universe: Stars (2025) führt, wie eine Reise durch Raum und Zeit, von den peruanischen Anden nach Harvard in Cambridge, von der Erde zur Großen und Kleinen Magellanschen Wolke. Die wissenschaftliche Kartierung und Erforschung dieser beiden Zwerggalaxien am Südsternhimmel, die nur von der Südhalbkugel aus zu sehen sind, wurden vom Harvard College Anfang des 20. Jahrhunderts in Angriff genommen. Hunderttausende fotografische Glasplatten, erstellt zwischen 1890 und 1926 an dessen peruanischem Standort, dem Boyden Observatory in Arequipa, wurden dafür in einer Herkulesaufgabe von einer Gruppe von – als „menschliche Computer“ bezeichneten –Astronom*innen numerisch erfasst und zugeordnet. Dieses Unterfangen markiert den Anfang der automatisierten Beobachtung unseres Planetensystems und dessen Interpretation im Rahmen von Machine-Learning-Prozessen. Zugleich ist die Erforschung der Magellanschen Wolken durch das Ansammeln von fotografischen Bildern und ihr numerisches Auswerten ein Beispiel dafür, wie alternative Welterklärungsmodelle, also auch indigene Kosmologien, systematisch verdrängt wurden.

Die Geschichte der Aneignung der Magellanschen Wolken durch den westlichen Wissenschaftsbetrieb sowie der dazu herangezogenen Ressourcen vermittelt Newkryta anhand einer nichtlinearen Erzählung und durch das Einbeziehen multipler Stimmen. Wir sehen zum einen eine Gruppe von Frauen, die offensichtlich eine Form des Reenactments der Tätigkeit der Harvard-Astronom*innen vollziehen, indem sie die Pünktchen einer projizierten Fotografie als Sterne identifizieren und einkreisen; zum anderen laufen auf einem Smartphone-Bildschirm Archivfotos aus dem Harvard College Observatory Archive, die sowohl die Arbeitsvorgänge in den Anden als auch vor Ort in Harvard zeigen. Bei dem suggestiven Voice Over handelt es sich um eine Komposition aus Zahlen und Textfragmenten, die das Zählen und Erzählen zusammenführt und dabei auf unterschiedliche Wissensquellen Bezug nimmt – unter anderem auf Texte der Astronomin Henrietta Swan Leavitt und der für den Cyberfeminismus einflussreichen Philosophin und Kulturtheoretikerin Sadie Plant oder auf die überlieferten indigenen Kosmologien, die Lebensweisen und Sternenkonstellationen eng zusammendenken.

Die Projektionsfläche ist integraler Bestandteil der Installation: Sie ist von Hand perforiert und basiert auf einer Fotografie der Kleinen Magellanschen Wolke. Das Licht des Projektors, das durch die Perforierung dringt und sich mit dem Verlauf des Films verändert, lässt die Besucher*innen physisch ins Universum eintauchen. Die große Fensterscheibe am Eingang ist mit einer perforierten Folie versehen, diesmal im „Muster“ der Großen Magellanschen Wolke, und verwandelt die Atmosphäre im Raum durch das von außen hineinfließende „Sternenlicht“.

Der Video-Essay This Aggregate of Images that is the Universe: Clouds (2025), der in unterteilten Kapiteln auf Smartphones auf Stativen im Raum präsentiert wird, ist eine techno-philosophische Annäherung an die für uns meist unsichtbaren Bilddatensätze, die eine Vielzahl von technologischen Infrastrukturen prägen. Die Videos, die mittels Text bei den Betrachter*innen imaginative Bilder entstehen lassen, erzählen über das sich transformierende Verhältnis zwischen Mensch und Bild, das über weite Strecken von Verführung und Begehren geprägt war und sich immer mehr als Überforderung, Ausbeutung und Orientierungslosigkeit herausstellt.

However today,
after centuries of chasing perfect images,
after centuries of worshipping them,
destroying them,
fighting over them,
kissing them,
and carrying pictures of loved ones in our wallets,
images elude us.
They turn their back on us.

(Auszug aus: This Aggregate of Images that is the Universe: Clouds)

Wie in der Filminstallation setzt sich Olena Newkryta auch hier intensiv mit Arbeitsverhältnissen und -bedingungen auseinander, insbesondere jenen der Klickarbeiter*innen – Menschen, die, meist in Billiglohnländern, Anwendungen Künstlicher Intelligenz trainieren.

Nicht zuletzt durch das räumliche Setting der Ausstellung holt die Künstlerin die naturwissenschaftliche und abstrakte Beschreibung und Erfassung des Universums, die körperlosen Zahlen und Fakten zurück auf eine menschliche, sensitiv erfahrbare Ebene. Die von ihr bedruckten und perforierten Hemden – in der Ausstellung als Merchandising-Produkte präsentiert – sind ein ironischer Verweis auf den, in digitalen Infrastrukturen meist abwesenden, menschlichen Körper.

Olena Newkryta (* 1990 in der Ukraine) lebt und arbeitet in Wien.
www.olenanewkryta.com

 

Olena Newkryta, This Aggregate of Images That is the Universe, 2024 (laufende Arbeit) | Audiovisuelle Installation | Courtesy die Künstlerin