Die Dinge zum Leben erwecken: Materialströme und schöpferische Verflechtungen

Tim Ingold

In seinen Notizbüchern wies der Maler Paul Klee immer wieder nachdrücklich und anhand von Beispielen darauf hin, dass die Entstehungs- und Wachstumsprozesse, die in der von uns bewohnten Welt Formen hervorbringen, wichtiger sind als die Formen selbst. „Form ist Ende ist Tod“, schrieb er. „Formung ist Bewegung ist Tat. Formung ist Leben.“1 Und die Kernaussage seiner berühmten „Schöpferischen Konfession“ von 1920 lautet: „Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar.“2 Sie strebt, mit anderen Worten, nicht danach, fertige Formen zu reproduzieren, die bereits feststehen, sei es als Bilder im Kopf oder als Gegenstände in der Welt. Vielmehr versucht sie, sich mit jenen Kräften zu verbinden, die die Form ins Leben rufen. So wächst die Linie aus einem Punkt, der in Bewegung gesetzt wurde, so wie die Pflanze aus ihrem Samen. In Anlehnung an Klee argumentieren die Philosophen Gilles Deleuze und Félix Guattari, dass die wesentliche Beziehung, in einer Welt des Lebens, nicht mehr die von Materien und Formen oder Wesenheiten und Attributen ist, sondern sich jetzt als eine direkte Beziehung von Material und Kräften darstellt.3 Es geht hier um die Art und Weise, wie sich unterschiedlichste Materialien, mit ihren vielfältigen und variablen Eigenschaften und belebt durch die Kräfte des Kosmos, bei der Hervorbringung von Dingen vermischen und miteinander verschmelzen. Ihre Rhetorik ist aber ebenso ein Versuch, eine Denkweise über die Dinge und darüber, wie sie gemacht und verwendet werden, zu überwinden, deren Einfluss sich in der westlichen Welt seit nunmehr über zwei Jahrtausenden – beginnend bei Aristoteles – hartnäckig hält.

Damit irgendetwas entstehen kann, so argumentierte Aristoteles, müssen Form (morphe) und Materie (hyle) zusammentreffen. Wiewohl dieses hylemorphische Modell des Werdens sich in der Geschichte des westlichen Denkens immer stärker verankerte, geriet es auch zunehmend aus dem Gleichgewicht. Die Form wurde als erzwungen angesehen, geschaffen von einem/einer Handlungsträger*in (agent) mit einem bestimmten Zweck oder Ziel vor Augen, während die Materie – nun passiv und träge geworden – das war, dem etwas aufgezwungen wurde. Die kritische Argumentation, die ich entwickeln möchte, ist, dass in den zeitgenössischen Diskursen innerhalb der Anthropologie und Archäologie bis hin zur Kunstgeschichte oder dem Forschungsgebiet der materiellen Kultur weiterhin die grundlegenden Annahmen des hylemorphischen Modells reproduziert werden, und zwar auch in ihren Bemühungen, ein Gleichgewicht zwischen seinen Begrifflichkeiten herzustellen. Mein Ziel ist jedoch letztendlich, das Modell selbst zu verwerfen und es durch eine Ontologie zu ersetzen, die den Entstehungsprozessen gegenüber ihrem Endprodukt sowie den Materialströmen und -transformationen gegenüber den Aggregatzuständen Vorrang einräumt. Es ist die Ontologie des Animismus. Weithin missverstanden als ein Glaubenssystem, das den scheinbar unbelebten Objekten Leben und sogar Geist zuschreibt, ist Animismus – wie ich im Gegenteil behaupte – eine Weise, nicht über die Welt zu denken, sondern ihr gegenüber lebendig zu sein, also eine erhöhte Sensibilität und Reaktionsbereitschaft in Wahrnehmung und im Handeln gegenüber einer Umwelt an den Tag zu legen, die sich in ständigem Wandel befindet und von einem Moment zum nächsten nie dieselbe ist.4 In einer solchen Umwelt gibt es keine Gegenstände, die belebt werden können. Es gibt nur Dinge.

Meine Argumentation besteht aus fünf Komponenten. Zunächst stelle ich eine Unterscheidung zwischen Dingen und Gegenständen bzw. Objekten* her, auf der alles andere beruht. Anschließend erkläre ich, was ich unter Leben verstehe, nämlich das generative Potenzial dieses umfassenden Beziehungsfeldes, aus dem heraus Formen entstehen und aufrechterhalten werden. Ich werde zeigen, dass die derzeitige Fokussierung auf die Material Agency, die Handlungsmacht des Materials, in einem Großteil der Literatur eine Folge der Reduktion der Dinge auf Objekte und ihr daraus resultierendes „Herausfallen“ aus den Prozessen des Lebens ist. Denn je mehr die Theoretiker*innen über Agency sprechen, desto weniger scheinen sie über das Leben zu sagen zu haben; ich möchte diesen Fokus umkehren. Im dritten Teil meiner Argumentation werde ich sodann behaupten, dass die Auseinandersetzung mit den Prozessen des Lebens von uns verlangt, nicht rein auf die Materialität als solche abzustellen, sondern auf die Ströme und Flüsse von Materialien. Wir sind, mit Deleuze und Guattari gesprochen, dazu verpflichtet, diesen Strömungen zu folgen und den Pfaden der Formwerdung nachzugehen, wohin auch immer sie führen mögen. Viertens werde ich darlegen, in welchem spezifischen Sinne die Bewegung entlang dieser Pfade schöpferisch ist: nämlich, indem der schöpferische Akt „vorwärts“ zu lesen ist, als ein improvisatorisches Sich-Einlassen auf formgebende Prozesse, und nicht „rückwärts“, als eine Abduktion (abduction) vom fertigen Objekt zu einer Absicht im Kopf eines/einer Handlungsträger*in. Schließlich werde ich zeigen, dass die Pfade oder Bahnen, entlang derer sich die improvisatorische Praxis entfaltet, keine Verbindungen sind und auch keine Zusammenhänge zwischen einer Entität und einer anderen beschreiben. Sie sind vielmehr Linien, entlang derer die Dinge kontinuierlich in Erscheinung treten. Wenn ich also von der Verflechtung der Dinge spreche, meine ich dies wörtlich und präzise: kein Netzwerk von Verbindungen, sondern ein Flechtwerk (meshwork) von ineinander verwobenen Linien des Wachstums und der Bewegung.

Dinge und Gegenstände

Wie ich so allein in meinem Arbeitszimmer sitze und schreibe, mag es offensichtlich sein, dass ich von Gegenständen aller Art umgeben bin, vom Stuhl und Schreibtisch, die meinen Körper und meine Arbeit stützen, bis zum Block, auf dem ich schreibe, dem Stift in meiner Hand und der Brille, die ich auf meiner Nase balanciere. Stellen Sie sich einen Moment lang vor, alle Gegenstände in diesem Raum würden auf magische Weise verschwinden und nur der nackte Boden, die Wände und die Decke übrig bleiben. Außer aufzustehen oder auf den Dielen auf und ab zu gehen, könnte ich nichts tun. Ein Raum ohne Gegenstände, so könnte man folgern, ist praktisch unbewohnbar. Um ihn für eine Tätigkeit nutzbar zu machen, muss er eingerichtet werden. Wie der Psychologe James Gibson zu seinem ökologischen Ansatz in der visuellen Wahrnehmung ausführte, umfasst die Einrichtung eines Raums die Angebote (affordances), die es seinen Bewohner*innen ermöglichen, dort ihren Routinetätigkeiten nachzugehen: der Stuhl bietet das Sitzen an, der Stift das Schreiben, die Brille das Sehen und so weiter. Schon etwas fragwürdiger weitete Gibson seine Argumentation jedoch vom Innenraum des Zimmers auf die Umwelt im Allgemeinen aus. Er lässt sich uns eine offene Umwelt vorstellen, „eine Flächenanordnung, die allein aus der Erdoberfläche besteht“.5 Im Extremfall – das heißt in Abwesenheit jeglicher Gegenstände – wäre eine solche Umwelt nur als vollkommen ebene Erde verwirklicht, die sich unter einem wolkenlosen Himmel rundum und ohne jede Unterbrechung bis an einen flachen Horizont erstreckt, eine wirklich trostlose Umwelt! Wie die Dielen des Zimmers bietet die Oberfläche der Erde nur Stehen und Gehen an. Dass wir irgendetwas anderes tun können, hängt mit der Tatsache zusammen, dass die offene Umwelt, wie der Innenraum, in der Regel mit Gegenständen vollgestellt ist. „So wie die Möbel ein Zimmer“, schreibt Gibson, „machen auch erst ihre Einrichtungsgegenstände die Erde bewohnbar“.6

Verlassen wir nun die Abgeschiedenheit des Arbeitszimmers und machen einen Spaziergang an der frischen Luft. Unser Weg führt uns durch ein Walddickicht. Von allen Seiten mit Stämmen und Ästen umgeben, wirkt diese Umwelt für uns sicherlich unübersichtlich. Aber ist sie tatsächlich mit Gegenständen vollgestellt? Nehmen wir an, dass wir unsere Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Baum richten. Da steht er, verwurzelt in der Erde, sein Stamm ragt in die Höhe, die Äste sind ausgebreitet, wiegen sich im Wind, je nach Jahreszeit mit oder ohne Knospen oder Blätter. Ist der Baum also ein Gegenstand? Wenn ja, wie sollten wir ihn definieren? Was ist ein Baum und was Nicht-Baum? Wo endet der Baum und wo beginnt der Rest der Welt? Diese Fragen sind nicht leicht zu beantworten – zumindest nicht so leicht, wie es bei den Möbeln in meinem Arbeitszimmer der Fall zu sein scheint. Ist die Rinde zum Beispiel Teil des Baums? Wenn ich ein Stück davon mit meiner Hand abbreche und es genau betrachte, werde ich zweifellos feststellen, dass es von vielen winzigen Lebewesen bevölkert wird, die sich unter der Rinde eingegraben und eingenistet haben. Sind sie ein Teil des Baums? Und was ist mit den Algen, die an den Außenflächen des Stammes wachsen, oder den Flechten, die von den Ästen herabhängen? Und sollten wir beschlossen haben, dass rindenbohrende Insekten ebenso zum Baum gehören wie die Rinde selbst, dann gibt es keinen besonderen Grund, die anderen Bewohner*innen des Baums auszuschließen, einschließlich des Vogels, der dort sein Nest baut, oder des Eichhörnchens, dem er ein Labyrinth aus Leitern und Sprungbrettern bietet. Wenn man zudem bedenkt, dass der Charakter dieses einen Baums auch darin besteht, wie er auf den Wind reagiert, im Schwanken seiner Äste und im Rascheln seiner Blätter, könnte man sich fragen, ob der Baum überhaupt etwas anderes sein kann als ein Baum-in-der-Luft. Gehört der Wind also nicht genauso zum Baum wie sein Holz?

Diese Überlegungen führen mich zu der Schlussfolgerung, dass der Baum keineswegs ein Gegenstand, sondern ein Ding ist. Wie der Designphilosoph Vilém Flusser schreibt: „‚Gegenstand‘ ist, was im Weg steht, dorthin geworfen wurde (lateinisch: ‚ob-iectum‘, griechisch: ‚problema‘)“.7 Er steht wie eine vollendete Tatsache vor uns und versperrt uns den Weg. Für unser Vorankommen müssen wir ihm entweder ausweichen, ihn beseitigen oder durchbrechen. Das Ding hingegen zieht uns in sich hinein, und zwar entlang der Pfade seiner eigenen Entstehung. Es ist, wenn man so will, ein „Geschehen“ (going on) – oder besser gesagt, ein Ort, an dem mehrere Geschehnisse miteinander verflochten sind. Der Philosoph Martin Heidegger formulierte, wenn auch etwas rätselhaft, dass sich das Ding „in seinem Dingen aus der Weltenden Welt“ präsentiert.8 Es handelt sich um eine besondere Form des Versammelns oder Verwebens der Fäden des Lebens. Das Beispiel, das Heidegger zur Veranschaulichung seines Arguments diente, war ein einfacher Krug. Das Dinghafte des Kruges beruhe ihm zufolge weder auf seiner physischen Substanz noch auf seinem Erscheinungsbild, sondern auf seiner Fähigkeit, zu versammeln, zu fassen und weiterzugeben.9 Dieser Sichtweise ging natürlich die alte Bedeutung des Wortes Ding – Versammlung – voran, als Ort, an dem die Menschen zusammenkamen, um ihre Angelegenheiten zu regeln. Wie der historische Geograf Kenneth Olwig in einer brillanten Darstellung der politischen Geografie des frühmittelalterlichen Jütlands bemerkt, versammelt der Ding-Ort das Leben der Menschen, die das Land bewohnen, er hält ihre kollektiven Erinnerungen fest und verleiht ihnen in den Urteilen und Beschlüssen eines ungeschriebenen Rechts Ausdruck. Jütland ist mit Orten dieser Art übersät. Einem Ding beizuwohnen bedeutet folglich, nicht ausgesperrt zu sein, sondern in die Versammlung eingeladen zu werden.10

Wenn wir uns jede/n Teilnehmende/n als einen bestimmten Lebensweg vorstellen, der eine Linie durch die Welt zieht, dann könnten wir das Ding vielleicht, wie ich an anderer Stelle vorgeschlagen habe, als ein Parlament der Linien definieren.11 So gedacht, hat das Ding nicht den Charakter einer äußerlich umgrenzten Einheit, die sich über und gegen die Betrachtenden stellt, sondern den eines Knotens, dessen konstituierende Lebenslinien keineswegs in ihm eingeschlossen bleiben, sondern ständig darüber hinaus schweifen, nur um sich wiederum mit anderen Linien in anderen Knoten zu vermischen. Mit einem Wort, Dinge sind undicht (things leak), sie sickern ständig durch die Oberflächen, die sich vorübergehend um sie herum bilden. Ich werde auf diesen Punkt noch später zurückkommen, wenn ich darauf eingehe, wie wichtig es ist, den Materialströmen zu folgen. Fahren wir zunächst mit unserem Spaziergang im Freien fort.

Wir haben den Baum betrachtet; was könnte uns sonst noch auffallen? Ich stoße mir den Fuß an einem Stein, der auf dem Weg liegt. Gewiss, werden Sie sagen, der Stein ist ein Gegenstand. Das ist er aber nur, wenn wir ihn künstlich aus den Erosions- und Ablagerungsprozessen herauslösen, die ihn dorthin gebracht und ihm die Größe und Form verliehen haben, die er jetzt hat. Ein rollender Stein, so besagt das Sprichwort, setzt kein Moos an, doch gerade im Prozess des Ansetzens von Moos wird der Stein, der an Ort und Stelle verkeilt ist, zu einem Ding, während andererseits der Stein, der rollt – wie ein vom Fluss geschwemmter Kieselstein – gerade in seinem Rollen zu einem Ding wird. So wie der Baum, der in seinen Bewegungen auf die Windströmungen reagiert, ein Baum-in-der-Luft ist, ist der in der Flussströmung rollende Stein ein Stein-im-Wasser. Nehmen wir nun an, dass wir unseren Blick nach oben richten. Es ist ein schöner Tag, aber es gibt ein paar Wolken. Sind Wolken Gegenstände? Gibson ist seltsamerweise der Meinung, dass sie es sind: Sie scheinen am Himmel zu hängen, während andere Gegenstände wie Bäume und Steine auf der Erde liegen. So besteht also die ganze Umwelt, in Gibsons Worten, „aus der Erde und dem Himmel und aus Objekten auf der Erde und am Himmel“.12 In einem Gemälde aus den Jahren 1938/39 mit dem Titel La bonne aventure (Der Glücksfall) parodiert René Magritte diese Idee eines möblierten Himmels geschickt, indem er die Wolke als fliegendes Objekt darstellt, das durch die offene Tür eines ansonsten leeren Raums hereinschwebt. Aber tatsächlich ist die Wolke kein wirklicher Gegenstand, sondern ein dunstiger Wulst, der sich, von Luftströmen getragen, aufbauscht. Wolken zu beobachten, würde ich sagen, bedeutet nicht, Gegenstände am Himmel wahrzunehmen, sondern einen Blick auf den sich formierenden Himmel, auf seine Bewölkung zu erhaschen.13 Noch einmal: Wolken sind keine Gegenstände, sondern Dinge.

Was für Bäume, Steine und Wolken gilt, die mit oder ohne Zutun des Menschen gewachsen sind oder geformt wurden, gilt auch für offensichtlich künstlichere Strukturen. Nehmen wir ein Gebäude: nicht die fixierte und finale Struktur des Architekt*innen-Entwurfs, sondern das eigentliche Gebäude, das auf seinen Fundamenten in der Erde ruht, den Elementen ausgesetzt ist und womöglich von Vögeln, Nagetieren und Pilzen heimgesucht wird. Der renommierte portugiesische Architekt Alvaro Siza hat eingeräumt, dass er nie in der Lage war, ein echtes Haus zu bauen, womit er „eine komplizierte Maschine“ meinte, „in der jeden Tag etwas kaputt geht“.14 Ein echtes Haus ist nie fertig. Vielmehr verlangt es unablässige Anstrengungen, um es angesichts des Kommens und Gehens seiner menschlichen und nicht-menschlichen Bewohner*innen abzusichern, ganz zu schweigen vom Wetter! Regenwasser tropft durch das Dach, wo der Wind einen Ziegel weggeblasen hat, und nährt einen Pilzbefall, der das Gebälk zu zersetzen droht, die Dachrinnen sind voller verfaulter Blätter, und als ob das nicht genug wäre, stöhnt Siza, „dringen Legionen von Ameisen über die Türschwellen ein, es gibt immer wieder tote Vögel, Mäuse und Katzen“. In der Tat ist das echte Haus, nicht anders als der Baum, eine Versammlung von Leben; es zu bewohnen bedeutet, sich an der Versammlung zu beteiligen, oder in Heideggers Worten, mit dem Ding an seinem Dingen zu partizipieren. Unsere architektonischen Grunderfahrungen lassen sich, wie Juhani Pallasmaa erklärt, eher in der Verbform als mit Substantiven beschreiben. Sie entstehen nicht aus der Konfrontation mit Gegenständen – der Fassade, dem Türrahmen, dem Fenster und dem Kamin –, sondern aus Akten des Annäherns und Eintretens, des Hinein- oder Hinausschauens und des Gefühls der sich ausbreitenden Wärme des Feuers.15 Als Bewohner*innen erleben wir das Haus nicht als einen Gegenstand, sondern als Ding.

Leben und Agency

Was haben wir vom Aufreißen der Fenster des Arbeitszimmers gelernt, vom Verlassen des Hauses und dem Spaziergang im Freien? Sind wir auf eine Umwelt gestoßen, die so vollgestellt ist mit Gegenständen wie mein Arbeitszimmer mit Möbeln, Büchern und Utensilien? Weit gefehlt. In Wahrheit scheint es überhaupt keine Gegenstände zu geben. Es gibt gewiss Schwellungen, Wucherungen, Ausstülpungen, Fasern, Risse und Hohlräume, aber keine Gegenstände. Es wäre zwar möglich, eine Welt voller Gegenstände zu besetzen, aber den Besetzenden würden die Inhalte der Welt bereits in ihren endgültigen Formen fixiert erscheinen, in sich selbst verschlossen. Ganz so, als hätten sie ihm oder ihr den Rücken zugekehrt. Die Welt zu bewohnen bedeutet dagegen, an den Entstehungsprozessen teilzunehmen. Und die Welt, die sich den Bewohnenden auf diese Weise eröffnet, ist im Grunde eine Umwelt ohne Gegenstände, oder abgekürzt, eine UOG. In meiner Beschreibung des Baums, des Steins, der Wolke und des Gebäudes habe ich versucht, vom Leben in der UOG zu berichten. Dabei bin ich wohl zu einer Schlussfolgerung gelangt, die der von Gibson diametral entgegengesetzt ist. Erinnern wir uns daran, dass für Gibson eine Umwelt in Abwesenheit von Gegenständen nichts weiter als eine eigenschaftslose und vollkommen ebene Erde sein kann. Erst durch das Hinzufügen von Gegenständen, ob auf dem Boden ausgelegt oder in den Himmel gehängt, wird eine Umwelt – seiner Meinung nach – lebenswert. Ich aber behaupte, dass eine solche möblierte Umwelt möglicherweise besetzt, aber nicht bewohnt werden kann. Worin unterscheidet sich also mein Ansatz von Gibsons? Die Antwort liegt in unserem jeweiligen Verständnis von der Bedeutung von Oberflächen.

Gegenstände erschließen sich, so Gibson, erst durch ihre nach außen gewandten Oberflächen der Wahrnehmung. Jede Oberfläche, erklärt er, sei eine Grenzfläche zwischen der mehr oder weniger festen Substanz eines Gegenstandes und dem flüchtigen Medium, das es umgibt. Löst sich die Substanz auf oder verdampft in das Medium, dann verschwindet die Oberfläche und mit ihr der Gegenstand, den sie einst umhüllte.16 Demnach läge die eigentliche Gegenständlichkeit jeder Entität in der Trennung und Unvermischbarkeit von Substanz und Medium. Entfernte man jedoch jeglichen Gegenstand, so bliebe immer noch eine Oberfläche übrig – für Gibson die grundlegendste Oberfläche von allen –, nämlich der Erdboden, welcher die Grenzfläche zwischen der Stofflichkeit der Erde unten und dem gasförmigen Medium des Himmels oben markiert. Hat die Erde also dem Himmel den Rücken gekehrt? Wenn ja, dann wäre, wie Gibson richtig vermutete, kein Leben möglich. Die offene Umwelt könnte nicht bewohnt werden.

Ich behaupte im Gegenteil, dass die offene Welt gerade deshalb bewohnt werden kann, weil überall dort, wo Leben stattfindet, die trennenden Grenzflächen zwischen Erde und Himmel einer gegenseitigen Durchlässigkeit und Bindung weichen. In der UOG sind Erde und Himmel keineswegs durch die harte Oberfläche des Erdbodens auf ihre jeweiligen Bereiche beschränkt, sie dringen vielmehr gegenseitig ineinander ein. Folglich ist der Erdboden gar keine kohärente Oberfläche, sondern eine Zone, in der sich die Luft und Feuchtigkeit des Himmels mit Stoffen verbinden, deren Ursprung in der Erde liegt, wo sich Lebewesen immerfort bilden und auflösen. Über das Samenkorn, das auf die Erde gefallen ist, schreibt Klee, dass „die Beziehung zu Erde und Atmosphäre die Fähigkeit zu wachsen [erzeugt]…Das Samenkorn treibt Wurzel die Linie richtet sich zunächst erdwärts aber nicht um da zu leben, sondern nur da Kräfte zu holen zum Aufbau ins Luftreich.“17 Im Wachstum wird der Punkt zu einer Linie, aber diese Linie, die ja nicht einfach auf die vorpräparierte Oberfläche des Erdbodens aufgesetzt wird, trägt zu seinem sich ständig weiterentwickelnden Gewebe bei. Die wachsende Pflanze befindet sich weder auf der Erde noch im Himmel, sondern ist gleichzeitig irdisch und himmlisch. Und das ist sie, wie Klee betonte, gerade deshalb, weil die Vermischung von Himmel und Erde selbst eine Bedingung für Leben und Wachstum ist. Weil die Pflanze selbst (und nicht auf der) Erde ist, ist sie auch Himmel. Kurzum, in einer Welt, in der sich Erde und Himmel nicht vermengen und vermischen, kann es kein Leben geben.

Um einen Eindruck von der Bewohnung einer Erde-Himmel-Welt zu bekommen, empfiehlt es sich, zu Heidegger zurückkehren. In einer etwas blumig geratenen Passage beschreibt er die Erde als „die dienend Tragende, die blühend Fruchtende, hingebreitet in Gestein und Gewässer, aufgehend zu Gewächs und Getier“18, während „der Himmel der wölbende Sonnengang [ist], der gestaltwechselnde Mondlauf, der wandernde Glanz der Gestirne, die Zeiten des Jahres und ihre Wende, Licht und Dämmer des Tages, Dunkel und Helle der Nacht, das Wirtliche und Unwirtliche der Wetter, Wolkenzug und blauende Tiefe des Äthers“.19 Kaum sprechen wir von der Erde, denken wir schon den Himmel mit, und umgekehrt. Jedes hat Anteil am Wesen des anderen.20 Was für ein deutlicher Unterschied zu Gibsons Darstellung von Erde und Himmel als sich gegenseitig ausschließende Bereiche, die an der Erdoberfläche strikt voneinander getrennt sind und von den ihnen jeweils eigenen Gegenständen bevölkert werden – „Bergen und Wolken, […], Feuern und Sonnenuntergängen, […] Steinen und Sternen“!21 Anders als Gibsons Substantive, die Einrichtungsstücke aufzählen, strotzt Heideggers Beschreibung von Verben des Wachstums und der Bewegung. Im „Aufgehen“ der Erde, wie Heidegger es ausdrückt, in diesem unaufhaltsamen Auslaufen von Substanz durch die porösen Oberflächen der entstehenden Formen, finden wir die Essenz des Lebens. Wie ich bereits festgestellt habe, sind Dinge lebendig, weil sie undicht sind. Das Leben in der UOG ist kein eingedämmtes, sondern jenen Materialkreisläufen selbst innewohnend, die fortwährend Formen der Dinge hervorbringen, selbst wenn diese schon in Auflösung begriffen sind.

Erst durch das Eintauchen in diese Kreisläufe werden Dinge zum Leben erweckt. Dies lässt sich anhand eines einfachen Experiments demonstrieren, das ich mit meinen Studierenden an der Universität von Aberdeen durchgeführt habe. Mit Quadraten aus Papier, Bambusstäben, Bändern, Klebeband, Klebstoff und Schnur bastelten wir rasch einige Drachen. Wir befanden uns dazu im Innenraum und arbeiteten auf Tischen. Es sah ganz danach aus, als ob wir einen Gegenstand zusammenbauen würden. Aber kaum hatten wir unsere Kreationen nach draußen auf ein Feld getragen, änderte sich alles. Sie setzten sich plötzlich in Bewegung, wirbelten herum, drehten sich, vollführten Sturzflüge – und gelegentlich stiegen sie sogar auf. Was war also passiert? War eine belebende Kraft auf magische Weise in die Drachen eingefahren und hatte sie dazu gebracht, sich in den meisten Fällen auf eine Weise zu verhalten, die wir nicht beabsichtigt hatten? Nein, natürlich nicht. Vielmehr waren die Drachen nun selbst in die Strömungen des Windes eingetaucht. Der Drachen, der eben noch leblos auf dem Tisch lag, war zu einem Drachen-in-der-Luft geworden. Er war nicht länger ein Gegenstand, wenn er überhaupt jemals einer gewesen war, sondern ein Ding. Wie das Ding in seinem Dingen existiert, so existiert der Drachen-in-der-Luft in seinem Flug. Oder anders ausgedrückt: In dem Moment, in dem er vor die Tür gesetzt wurde, hörte der Drachen auf, in unserer Wahrnehmung als ein Gegenstand zu erscheinen, der in Bewegung versetzt werden kann, und wurde stattdessen zu einer Bewegung, die sich zu einem Ding formiert. Dasselbe könnte man durchaus auch über einen Vogel-in-der-Luft oder einen Fisch-im-Wasser sagen. Der Vogel ist sein Fliegen, der Fisch sein Schwimmen. Der Vogel kann dank der Strömungen und Wirbel, die er in der Luft erzeugt, fliegen, und das flinke Schwimmen des Fisches verdankt sich den Strudeln, die er durch das Zappeln seines Schwanzes und seiner Flossen erzeugt. Ohne diese Strömungen würden die Tiere sterben.

Und dies ist der Punkt, an dem wir das sogenannte „Problem der Agency“ angehen und hoffentlich ein für alle Mal begraben können.22 Über die Beziehungen zwischen Menschen und Gegenständen bzw. Objekten ist viel geschrieben worden, wobei man sich von dem Gedanken leiten ließ, dass der Unterschied zwischen ihnen alles andere als unüberbrückbar ist. Ebenso wie Personen auf Objekte in ihrer Nähe einwirken können, so das Argument, können die Objekte auch „zurückwirken“, indem sie ihnen Anlass geben oder ermöglichen, etwas zu tun, das sie sonst nicht tun könnten.23 Doch schon im ersten theoretischen Schritt, die Dinge außen vor zu lassen, um sich auf ihre „Objekthaftigkeit“ zu konzentrieren, werden sie von ihrem lebenserhaltenden System, dem Materialfluss, abgeschnitten. Wir haben dies am Beispiel des Drachens gesehen. Den Drachen als Gegenstand zu betrachten, hieße, den Wind auszublenden – zu vergessen, dass er in erster Linie ein Drachen-in-der-Luft ist. Und so wirkt es, als ob der Flug des Drachens aus der Interaktion zwischen einer Person (die den Drachen steigen lässt) und einem Gegenstand (dem Drachen) resultiert, was sich wiederum nur durch die Vorstellung erklären lässt, dass der Drachen mit einem inneren belebenden Prinzip, einer Wirkmächtigkeit, ausgestattet ist, die ihn in Bewegung setzt, meist gegen den Willen der Person, die den Drachen steigen lässt.

Grundsätzlich möchte ich also behaupten, dass das Problem der Agency aus dem Versuch erwächst, eine Welt von bereits abgetöteten oder passiv gewordenen Dingen wiederzubeleben, indem man die sie zum Leben erweckenden Substanzströme unterbindet. In der UOG befinden sich Dinge in Bewegung und Wachstum, weil sie lebendig sind, nicht weil sie Agency besäßen. Und sie sind gerade deshalb lebendig, weil sie nicht auf den Status von Objekten reduziert worden sind. Die Vorstellung, dass Objekten Agency zugemessen werden kann, entspringt bestenfalls einer Redefigur, die von uns (zumindest den Anglophonen und Deutschsprachigen) aufgrund der Sprachstruktur verlangt, jedem Tätigkeitsverb ein handelndes Subjekt, ein Agens, voranzustellen. Im schlimmsten Fall hat sie große Geister dazu gebracht, sich in einer Weise lächerlich zu machen, die wir besser nicht nachahmen sollten. Das Leben der Dinge auf die Agency von Objekten zurückzuführen, bewirkt in der Tat eine doppelte Reduktion: der Dinge auf Objekte und des Lebens auf Agency. Und die Quelle dieser verkürzten Logik ist, so glaube ich, keine andere als das hylemorphische Modell.

Materialien und Materialität

Wenn Gelehrte von der „materiellen Welt“ oder, noch abstrakter, von „Materialität“ sprechen, was meinen sie damit?24 Wie sinnvoll ist es, die Materialität von Steinen, Bäumen, Wolken, Gebäuden oder sogar Drachen zu beschwören? Fragt man Forschende im Bereich der materiellen Kultur, wird man wahrscheinlich widersprüchliche Antworten erhalten. So kann ein Stein laut Christopher Tilley in seiner „rohen Materialität“ einfach als ein formloser Klumpen Materie betrachtet werden. Seiner Meinung nach bedarf es jedoch eines Konzepts von Materialität, um zu verstehen, wie bestimmte Stücke des Steins innerhalb bestimmter sozialer und historischer Kontexte Form und Bedeutung erhalten.25 In ähnlicher Weise formuliert der Archäologe Joshua Pollard, dass „ich mit Materialität meine, wie der materielle Charakter der Welt verstanden, angeeignet und in menschliche Projekte eingebunden wird“.26 In beiden Äußerungen können wir die zwei Seiten des hylemorphischen Modells erkennen: auf der einen die rohe Materialität oder den „materiellen Charakter“ der Welt, auf der anderen die formgebende Wirkmacht des Menschen. Mit diesem Konzept von Materialität wird die Trennung zwischen Materie und Form eher reproduziert als in Frage gestellt. Im Grunde ist der Begriff der materiellen Kultur selbst ein zeitgenössischer Ausdruck des Materie-Form-Prinzips des Hylemorphismus. Wenn Tilley von „roher Materialität“ oder der Archäologe Bjørnar Olsen von „der harten Stofflichkeit der Welt“27 schreibt, ist es, als ob die Welt ihr Welten eingestellt und sich als feste und homogene Ablagerung herauskristallisiert hätte, die nur noch auf ihre Differenzierung durch eine Überformung mit kulturellen Schichten wartet. In einer solch stabilen und stabilisierten Welt fließt nichts. Es kann keinen Wind und kein Wetter geben, keinen Regen, der das Land befeuchtet, oder Flüsse, die es durchfließen, kein „Aufgehen“ der Erde in Pflanzen oder Tiere, ja überhaupt kein Leben. Es könnte keine Dinge geben, nur Gegenstände.

In ihren Versuchen, das hylemorphische Modell wieder in ein Gleichgewicht zu bringen, pochen die Theoretiker*innen darauf, dass die materielle Welt sich eben nicht passiv gegenüber den Gestaltungen des Menschen verhält. Aber nun, da sie die Materialflüsse unterbunden haben, können sie die Aktivität seitens der materiellen Welt nur erklären, indem sie den Objekten Agency zuschreiben. Pollard schlägt jedoch einen anderen Ton an. Am Ende eines wichtigen Artikels über „die Kunst des Verfalls und die Verwandlung der Substanz“ weist er darauf hin, dass materielle Dinge ebenso wie Menschen Prozesse sind und ihre eigentliche Agency darin besteht, dass „sie nicht immer erfasst und eingedämmt (captured and contained) werden können“.28 Wie wir festgestellt haben, entdecken wir das Leben der Dinge eben gerade im Gegenteil des Erfassens und Eindämmens, nämlich im Durchsickern und der Undichtigkeit (discharge and leakage). Vor diesem Hintergrund können wir zu Deleuze und Guattari zurückkehren, die darauf bestehen, dass, wann immer wir Materie begegnen, es sich um eine „bewegende, dahinströmende und sich variierende Materie“ handelt. Und die Konsequenz daraus wäre, dass man „dem Materie-Strom nur folgen kann“.2929 Was Deleuze und Guattari hier einen „Materie-Strom“ nennen, würde ich als Material bezeichnen. Dementsprechend formuliere ich die Behauptung in eine einfache Faustregel um: folgen wir den Materialien. Die UOG, so behaupte ich, ist keine materielle Welt, sondern eine Welt der Materialien, der Materie im Fluss. Diesen Materialien zu folgen bedeutet, sich in eine Welt zu begeben, die sozusagen ständig am Köcheln ist. Anstatt sie mit einem riesigen Museum oder Kaufhaus zu vergleichen, in dem die Gegenstände fein säuberlich nach ihren Eigenschaften oder ihrer Herkunft geordnet sind, wäre es vielleicht hilfreicher, sich die Welt als eine riesige Küche vorzustellen, die reichlich mit Zutaten aller Art bestückt ist.

In der Küche werden Dinge in verschiedensten Kombinationen zusammengemischt; neue Materialien entstehen, die sich wiederum mit anderen Zutaten vermischen – in einem endlosen Prozess der Umwandlung. Kochen erfordert, Behälter zu öffnen und ihren Inhalt auszuschütten. Wir müssen die Deckel von den Dingen abnehmen. Angesichts der anarchischen Neigungen der verfügbaren Materialien muss der Koch, die Köchin durchaus darum kämpfen, einen gewissen Anschein von Kontrolle über das Geschehen zu bewahren. Eine vielleicht noch engere Parallele lässt sich zum Labor der Alchemist*innen ziehen. Wie der Kunsthistoriker James Elkins erläutert,3030 bestand die Welt der Alchemie nicht aus Materie, die nach den Grundsätzen der Wissenschaft in ihrer atomaren oder molekularen Zusammensetzung beschreibbar wäre, sondern aus Substanzen, die man aufgrund ihres Aussehens und ihrer Beschaffenheit kannte und indem man verfolgte, was mit ihnen passiert, wenn sie gemischt, erhitzt oder abgekühlt werden. Öle zum Beispiel waren keine Kohlenwasserstoffe, sondern das, was in einem Kessel mit gedünsteten Pflanzen an die Oberfläche stieg oder sich am Boden einer Grube mit verfaultem Fleisch ansammelte. Alchemie, schreibt Elkins, „ist die alte Wissenschaft des Ringens mit Materialien, ohne wirklich zu wissen, was vor sich geht“31, was ihm zufolge auch die Maler*innen in ihrer täglichen Arbeit im Atelier immer getan hätten. Ihr Wissen betraf auch Substanzen, und diese unterschieden sich oft kaum von jenen des alchemistischen Labors. Malerleim wurde etwa aus Pferdehufen, Hirschgeweihen und Kaninchenfellen hergestellt, und Farbe mit Bienenwachs, Feigenmilch und den Harzen exotischer Pflanzen angemischt. Pigmente gewann man aus einer bizarren Mixtur von Zutaten, wie etwa den kleinen rötlichen Insekten, die, gekocht und in der Sonne getrocknet, das als Karmin bekannte tiefrote Pigment produzierten, oder aus Essig und Pferdemist, die in Tontöpfen mit Blei vermischt die beste weiße Farbe ergaben. Als Praktizierende der UOG sind die Köch*innen, die Alchimist*innen und Maler*innen nicht so sehr damit beschäftigt, der Materie eine Form aufzuzwingen, sondern eher damit, verschiedenartigste Materialien zusammenzutragen und ihre Ströme zu kombinieren oder umzulenken, um zu sehen, was dabei herauskommen könnte. Das Gleiche ließe sich auch über Töpfer*innen sagen, wie der Archäologe Benjamin Alberti in einer ausgezeichneten Studie über Keramik aus Nordwestargentinien aus dem ersten Jahrtausend n. Chr. darlegt. Es wäre ein Fehler, so Alberti, anzunehmen, dass der Topf ein fester und stabiler Gegenstand wäre, dem als „verstockte“ Materie einer physischen Welt der Stempel der kulturellen Form aufgedrückt wurde.32 Im Gegenteil, es gibt Hinweise darauf, dass Töpfe wie Körper behandelt wurden, und zwar mit demselben Anliegen: nämlich, der chronischen Instabilität entgegenzuwirken und jene Gefäße des Lebens gegen ihre allgegenwärtige Anfälligkeit, undicht und durchlässig zu werden, abzusichern, die ihre Auflösung oder Metamorphose herbeiführen könnte. Entgegen aktueller Konzeptionen von Verkörperung (embodiment)33 ist der Körper keine Senke, kein Locus der Sedimentation oder ein Gefäß, dem Aktivität eingeflößt wird; vielmehr ist er in sich selbst ein sprichwörtliches Bienenhaus der Aktivität, eine sich windende Masse aus Bewegungen, Flüssen und energetischen Potenzialen. Das gilt auch für Töpfe. Als Teile des UOG-Gewebes sind Töpfe nicht stabiler als Körper, sondern sie werden durch Materialströme konstituiert und zusammengehalten. Sich selbst überlassen, können die Materialien jedoch Amok laufen. Töpfe werden zertrümmert, Körper verfallen. Es erfordert Anstrengung und Wachsamkeit, die Dinge intakt zu halten, egal ob es sich um Töpfe oder Menschen handelt.

Der modernen Gesellschaft ist ein solches Chaos natürlich zuwider. Doch trotz aller Bemühungen, mit technischen Meisterleistungen eine materielle Welt zu konstruieren, die ihren Erwartungen entspricht – nämlich eine Welt separater, wohlgeordneter Objekte –, durchkreuzt die Weigerung des Lebens, sich eindämmen zu lassen, ihre Bestrebungen. Auch wenn es den Anschein macht, dass Gegenstände mit äußeren Oberflächen umkleidet wären, hängt das Leben vom ständigen Austausch der Materialien durch sie hindurch ab. Wenn durch das „Bedecken“ der Erde oder Einkerkern der Körper dieser Austausch blockiert wird, kann nichts leben. In der Praxis können solche Blockaden jedoch nie mehr als partiell und provisorisch sein. Die Versiegelung der Erde wäre vielleicht eines der augenscheinlichsten Merkmale dessen, was wir gemeinhin als „gebaute Umwelt“ bezeichnen. Auf einer gepflasterten Straße oder einem Betonfundament kann nichts wachsen, es sei denn, es existiert eine Einspeisung aus externen Quellen. Doch selbst die widerstandsfähigsten Materialien können den Auswirkungen von Erosion und Abnutzung nicht ewig standhalten. So bekommt die gepflasterte Oberfläche – von unten durch Wurzeln und von oben durch Wind, Regen und Frost angegriffen – schließlich Risse, sie bröckelt und ermöglicht es den Pflanzen, hindurchzuwachsen, um sich erneut mit Licht, Luft und Feuchtigkeit der Atmosphäre zu verbinden und zu vermischen. Wo auch immer wir hinschauen, die aktiven Materialien des Lebens siegen über die tote Hand der Materialität, die es auslöschen würde.

Improvisation und Abduktion

Mit der Absicht, den Dingen wieder Leben zuzusprechen, zelebriere ich die schöpferische Kraft dessen, was Klee „Formung“ nannte. Es ist jedoch wichtig zu präzisieren, was ich mit schöpferisch meine. Insbesondere geht es mir darum, die in einem Großteil der Literatur über Kunst und materielle Kultur zu beobachtende Tendenz umzukehren, den schöpferischen Akt „rückwärts“ zu lesen; das heißt, von einem Ergebnis in Form eines neuartigen Objekts auszugehen und es über eine Abfolge von Vorbedingungen bis zu einer noch nie dagewesenen Idee im Kopf eines oder einer Handlungsträger*in zurückzuverfolgen. Diese rückwärts gerichtete Lesart entspricht dem, was der Anthropologe Alfred Gell eine Abduktion der Agency (abduction of agency) genannt hat. Für Gell ist jedes Kunstwerk ein „Objekt“, das „auf eine besondere, ‚kunstähnliche‘ (art-like) Weise mit einem oder einer sozialen Handlungsträger*in in Beziehung gesetzt werden kann“.34 Mit „kunstähnlich“ meint Gell eine Situation, in der es möglich ist, eine Kette kausaler Verbindungen zwischen dem Objekt und der Handlungsträgerschaft zu knüpfen, wobei Ersteres als Index für Letztere gelten kann. Diese Schlussweise vollzieht eine kognitive Variante der Abduktion. In Anbetracht meiner oben geäußerten Kritik an der doppelten Reduktion – von Dingen auf Gegenstände und von Leben auf Agency – sollte klar sein, warum ich diese Sichtweise für grundlegend falsch halte. Ein Kunstwerk ist, wie ich nochmals festhalte, kein Gegenstand, sondern ein Ding; und die Rolle der Künstler*innen besteht, wie Klee darlegte, nicht darin, eine vorgefasste Idee zu reproduzieren, ob sie nun neu ist oder nicht, sondern sich mit den Kräften und Strömen des Materials, die die Form des Werks ins Leben rufen, zu verbinden und ihnen zu folgen. „Folgen“, so Deleuze und Guattari, „ist etwas ganz anderes als reproduzieren“35: Während Reproduktion ein Verfahren der Iteration ist, impliziert Folgen Itineration, ein Umherziehen. Künstler*innen – wie auch Handwerker*innen – sind Umherziehende, deren Werk eine Modalität ihres eigenen Lebens darstellt. Darüber hinaus liegt das schöpferische Potenzial des Werks in der Vorwärtsbewegung, aus der Dinge entstehen. Dinge „vorwärts“ zu lesen heißt demnach, sich nicht auf eine Abduktion, sondern auf die Improvisation einzulassen.36 Improvisieren bedeutet, den Wegen der Welt zu folgen, wie sie sich gerade weisen, und nicht, eine Reihe von bereits durchlaufenen Punkten in umgekehrter Richtung wieder zusammenzufügen, oder, in Deleuze und Guattaris Worten, „sich mit der Welt zu verbinden und zu vermischen. Am Leitfaden eines Liedchens geht man aus dem Haus.“37 Entlang solcher Fäden – die Autoren nennen sie auch „Fluchtlinien“ oder „Linien des Werdens“ –, entfaltet sich das Leben. Kritisch betrachtet, schaffen diese Linien jedoch keine Verbindung: „Eine Linie des Werdens wird weder durch Punkte definiert, die sie miteinander verbindet, noch durch Punkte, aus denen sie zusammengesetzt ist. Im Gegenteil, sie geht zwischen den Punkten hindurch, sie stößt nur durch die Mitte […] Ein Werden ist weder eins noch zwei, noch die Beziehung zwischen beiden, sondern es ist dazwischen, die […] Fluchtlinie, die vertikal zu beiden verläuft.“38 So werden, im Leben genauso wie im Bereich der Musik oder Malerei, in der Bewegung des Werdens – das Wachstum der Pflanze aus ihrem Samen, das Erklingen der Melodie aus der Berührung von Geige und Bogen, die Führung des Pinsels und seiner Spuren – die Punkte nicht so sehr miteinander verbunden, als dass sie von der sie erfassenden Strömung beiseite gefegt und unkenntlich gemacht werden. Das Leben hat ein offenes Ende: Sein Impuls besteht nicht aus dem Erreichen eines Endpunkts, sondern aus dem Weitermachen. Die Pflanze, die Musiker*innen oder Maler*innen „wag[en] eine Improvisation“39, indem sie weitermachen.

Das Ding hingegen ist nicht bloß ein Faden, sondern besteht gewissermaßen aus einer Zusammenkunft (gathering together) von Lebensfäden. Deleuze und Guattari bezeichnen diesen Modus als Haecceïtas, Diesheit.40 Wenn aber jedes Ding ein solches Bündel aus Linien ist, was wird dann aus unserem ursprünglichen Begriff der „Umwelt“? Was bedeutet Umwelt in der UOG? Wörtlich genommen ist Umwelt das, was ein Ding umgibt, aber es ist unmöglich, etwas zu umgeben, ohne es einzuhüllen und damit eben jene Fäden, entlang derer das Leben gelebt wird, in Grenzen zu verwandeln, die es eindämmen. Stellen wir uns stattdessen vor, dass wir, wie Charles Darwin in Die Entstehung der Arten (1859), fasziniert vom Anblick einer Uferböschung, eines Hügelgewirrs „bedeckt mit blühenden Pflanzen aller Art, mit singenden Vögeln in den Büschen“41 darauf aufmerksam werden, wie eng die Faserbündel, aus denen jede Pflanze und jeder Busch besteht, ineinander verschlungen sind, sodass sie eine einzige dichte Vegetationsdecke bilden. Was wir aus Gewohnheit „die Umwelt“ nennen, erscheint auf unserer Böschung als ein riesiges Gewirr von Linien. Eine ebensolche Sichtweise vertrat der schwedische Geograf Torsten Hägerstrand mit seiner Vorstellung, dass jeder Bestandteil der Umwelt – Menschen, Tiere, Pflanzen, Steine, Gebäude – eine kontinuierliche Flugbahn (trajectory) des Werdens beschreibt. Während sie in ihrer Bewegung durch die Zeit aufeinandertreffen, bündeln sich die jeweiligen Flugbahnen zu diversen Kombinationen. „Von innen betrachtet“, schrieb er, „wirkt es, als würden die Spitzen der Flugbahnen manchmal von Kräften im Hintergrund vorwärts getrieben, und als ob sie Augen hätten, die sich umschauen, und Arme, die sich ausstrecken, und in jedem Moment fragen: ‚Was soll ich als nächstes tun?‘“ Diese Verstrickungen der sich immer weiter ausdehnenden Bahnen machen nach Hägerstrand die Textur der Welt aus – „den großen Wandteppich der Natur, den die Geschichte webt“.42 Wie Darwins Hügelgewirr ist Hägerstrands Wandteppich kein Feld aus verbundenen Punkten, sondern eines aus verflochtenen Linien, kein Netzwerk, sondern ein, wie ich es fortan nennen werde, Flechtwerk.

Flechtwerk und Netzwerk

Ich entlehne den Begriff des „Flechtwerks“ der Philosophie Henri Lefebvres. Lefebvre stellt fest, dass es Gemeinsamkeiten gibt zwischen der Weise, wie Worte einer Schriftseite eingeschrieben sind, und wie die Bewegungen und Rhythmen menschlichen und nicht-menschlichen Tuns im gelebten Raum registriert werden – jedoch nur, wenn wir Schrift nicht als sprachliche Komposition, sondern als ein Gewebe von Linien denken, nicht als Text, sondern als Textur. „Das praktische Tun überschreibt die Natur“, notiert er, „mit kritzelnder Feder“.43 Man denke nur an die netzartigen Muster, die Menschen und Tiere in ihren Bewegungen in und um die Häuser eines Dorfes oder einer Kleinstadt hinterlassen. In diesen multiplen Verflechtungen wird jedes Wahrzeichen oder Gebäude zu einem eher „archi-textuell“ als architektonisch zu nennenden Bestandteil. Auch sie sind trotz ihres beständigen und soliden Erscheinungsbilds eine Haecceïtas, die prozesshaft erlebt wird – über die Abfolge an Ausblicken, Verdeckungen und Übergängen, wenn die Bewohner*innen entlang unzähliger Pfade von Raum zu Raum und von drinnen nach draußen ihren täglichen Verrichtungen nachgehen. Und dies erinnert wiederum an Pallasmaas Feststellung, dass wir Architektur eher in Verbform als substantivisch erfahren. So wie das Leben der Bewohner*innen sich in die Gärten und Straßen, Felder und Wälder ergießt, so strömt die Welt in das Gebäude, um ihm seine charakteristischen Klangbilder und Muster aus Licht und Schatten zu verleihen. In diesen Strömen und Gegenströmen, die sich ohne Anfang und Ende hindurch oder dazwischen schlängeln, und nicht als zusammenhängende, von innen oder außen begrenzte Einheiten, werden die Dinge in der Welt der UOG verwirklicht.

Es ist wichtig, zwischen den Strömungslinien des Flechtwerks und den Verbindungslinien des Netzwerks zu unterscheiden. Dennoch kam es hier immer wieder Ungenauigkeiten, vor allem in der jüngsten Ausarbeitung dessen, was unter dem etwas unglücklich geratenen Begriff „Akteur-Netzwerk-Theorie“ (Actor-Network-Theory) Bekanntheit erlangte. Die Theorie wurzelt weniger im Nachdenken über die Umwelt als in der soziologischen Untersuchung von Wissenschaft und Technologie. Im letztgenannten Forschungsbereich beruht ein großer Teil ihrer Faszination auf dem Versprechen, die Interaktionen zwischen Menschen (wie Wissenschaftler*innen und Ingenieur*innen) und den Objekten, mit denen sie sich beschäftigen (zum Beispiel im Labor), auf eine Weise zu beschreiben, die Agency nicht allein in menschlichen Händen konzentriert, sondern sie auf alle Elemente verteilt, die in einem Handlungsfeld miteinander verbunden sind oder sich gegenseitig bedingen. Der Begriff „Actor-Network“ tauchte in der anglofonen Literatur zunächst als Übersetzung des französischen acteur réseau auf. Und wie einer seiner führenden Vertreter, Bruno Latour, im Nachhinein feststellte, verlieh ihm die Überset- zung eine Bedeutung, die nie beabsichtigt war. Im landläufigen Sprachgebrauch, unter Einfluss der Innovationen in der Informations- und Kommunikationstechnologie, ist das bestimmende Merkmal des Netzwerks die Konnektivität.44 Réseau kann sich jedoch sowohl auf das Geflecht als auch auf ein Netzwerk beziehen – auf einen gewebten Stoff, das filigrane Stickmuster von Spitze, das Geflecht des Nervensystems oder das Netz der Spinne. Die Linien des Spinnennetzes zum Beispiel verbinden im Gegensatz zu denen des Kommunikationsnetzes keine Punkte oder fügen Dinge zusammen. Gesponnen aus Materialien, die aus dem Körper der Spinne ausgeschieden werden, ergibt sich ihre Anordnung aus der Fortbewegung der Spinne. In diesem Sinne sind sie Erweiterungen des Wesens der Spinne auf ihren Pfaden in die Umwelt.45 Sie sind die Linien, entlang derer sie lebt, und leiten ihr Wahrnehmen und Handeln in der Welt. Nun sollte der acteur réseau nach dem Willen seiner Schöpfer*innen (wenn auch nicht im Sinne derer, die durch seine Übersetzung als „Netzwerk“ in die Irre geführt wurden) aus eben solchen Linien des Werdens bestehen – und somit in hohem Maße von der Philosophie Deleuze und Guattaris inspiriert sein. Diese Autoren halten unmissverständlich fest, dass, obwohl der Wert des Netzes für die Spinne darin besteht, dass es Fliegen fängt, weder die Linie des Netzes die Spinne mit der Fliege noch die „Fluchtlinie“ der Fliege sie mit der Spinne verbindet. Diese beiden Linien entfalten sich vielmehr kontrapunktisch: der einen dient die andere als Refrain. Die im Zentrum ihres Netzes lauernde Spinne registriert, dass eine Fliege irgendwo an den äußeren Rändern gelandet ist, denn sie sendet entlang der Fäden Schwingungen, die von den hochsensiblen, dürren Beinen der Spinne aufgefangen werden. Sie kann dann entlang der Netzlinien laufen, um ihre Beute zu holen. Die Fadenlinien des Netzes schaffen also die Voraussetzungen dafür, dass die Spinne mit der Fliege interagieren kann. Aber sie sind nicht selbst Linien der Interaktion. Wenn es sich bei diesen Linien um Beziehungen handelt, dann sind es nicht Beziehungen zwischen, sondern entlang.

Ähnlich wie bei der Spinne erstreckt sich das Leben der Dinge im Allgemeinen freilich nicht nur entlang einer, sondern zahlreicher Linien, die zwar im Zentrum miteinander verknotet sind, aber an den Rändern unzählige „lose Enden“ ausbilden. So sollte man sich ein jedes Ding, wie Latour kürzlich vorschlug, in Form eines Sterns vorstellen, mit einem „Zentrum umgeben von vielen strahlenförmig davon ausgehenden Linien mit verschiedenen in beiden Richtungen verlaufenden Kanälen“.46 Das Ding erweist sich nun nicht mehr als ein in sich geschlossenes Objekt, sondern als ein sich immer weiter verzweigendes Netz von Wachstumslinien. Das ist Deleuze und Guattaris Haecceïtas, die sie bekanntlich mit einem Rhizom verglichen haben.47 Ich persönlich bevorzuge das Bild des Pilzmyzels.48 Welches Bild wir auch immer wählen, entscheidend ist, dass wir vom fluiden Wesen des Lebensprozesses ausgehen, dessen Grenzen sich einzig den Materialströmen über sie hinweg verdanken. In der Forschung über die Psyche ist die Absolutheit der Grenze zwischen Körper und Umwelt nicht unumstritten. Vor über 50 Jahren behauptete der Pionier der psychologischen Anthropologie, A. Irving Hallowell, dass „jede Dichotomie zwischen Innen und Außen, mit der menschlichen Haut als Grenze, psychologisch irrelevant ist“49, eine Ansicht, die auch der Anthropologe Gregory Bateson in einem Vortrag von 1970 wieder aufgriff, in dem er erklärte, dass „die geistige Welt – der Geist – die Welt der Informationsverarbeitung – nicht durch die Haut begrenzt [ist]“.50 Und auch in viel jüngerer Vergangenheit hat der Philosoph Andy Clark den gleichen Standpunkt vertreten. Der Geist, so Clark, ist ein „undichtes Organ“, das sich nicht im Schädel einsperren lässt, sondern sich bei seinen Transaktionen mit dem Körper und der Welt vermischt.51 Streng genommen hätte er sagen müssen, dass der Schädel undicht ist, während der Geist das ist, was durchsickert! Wie dem auch sei, ich habe hier versucht, Batesons Aussage aufzugreifen und sie einen Schritt weiterzuführen. Worauf ich hinauswill, ist, dass nicht nur der Geist durchsickert, sondern die Dinge im Allgemeinen. Und zwar entlang der Pfade, denen wir folgen, wenn wir den generativen Materialströmen in der UOG auf der Spur sind.

Übersetzung: Christine Schöffler & Peter Blakeney

Timothy „Tim“ Ingold ist ein britischer Anthropologe und emeritierter Professor für Sozialanthropologe an der Universität Aberdeen.

Veröffentlicht in
Gudrun Ratzinger und Franz Thalmair (Hg.): Kunstraum Lakeside — Beziehungsweisen | A Sense of Relatedness, Verlag für moderne Kunst: Wien, 2023.
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* Der Autor folgt in seiner Unterscheidung zwischen „objects“ und „things“ nach eigener Aussage insbesondere Martin Heideggers Überlegungen, der, wie auch andere zitierte Autor*innen, vielfach „Gegenstand“ nutzte („object“ in entspr. autorisierten engl. Übersetzungen). Bei einigen Ausführungen des Autors scheint jedoch auch der Ausdruck „Objekt“ passend oder zwingend, insbesondere wenn das Wort seinen Verweisen folgend dann autorisierten deutschen Übersetzungen z.B. von Theoriegrundlagen entspricht. Anm.d.Ü.

1 Klee, Paul: Bildnerische Gestaltungslehre, Vorlesungsmanuskripte, 1922–1930 (transkribierte Handschriften), 67, http://www.kleegestaltungslehre.zpk.org/ee/ZPK/BG/2012/01/02/078/.
2 Klee, Paul: „Schöpferische Konfession“, in Tribüne der Kunst und der Zeit. Eine Schriftensammlung, Band XIII, Berlin: Erich Reiss Verlag, 1920, 28–40, hier: 28.
3 Deleuze, Gilles u. Félix Guattari: Kapitalismus und Schizophrenie. Tausend Plateaus, übers. v. Gabriele Ricke u. Ronald Voullié, Berlin: Merve, 1992, 467.
4 Vgl. Ingold, Tim: „Rethinking the Animate, Re-Animating Thought“, in Ethnos 71, Nr. 1 / 2006, 9–20, hier: 10. Übersetzung für diese Publikation.
5 Gibson, James J.: Wahrnehmung und Umwelt. Der ökologische Ansatz in der visuellen Wahrnehmung, übers. v. Gerhard Lücke u. Ivo Kohler, München: Urban & Schwarzenberg, 1982, 34.
6 Ebd., 83.
7 Flusser, Vilém: Vom Stand der Dinge, hg. v. Fabian Wurm, Göttingen: Steidl, 1993, 40.
8 Heidegger, Martin: Gesamtausgabe. 1. Abteilung: Veröffentlichte Schriften 1910–1976. Band 7. Vorträge und Aufsätze, hg. v. Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M.: Vittorio Klostermann, 2000, 182.
9 Ebd., vgl. 165–184.
10 Vgl. Olwig, Kenneth: „The Jutland Cipher: Unlocking the Meaning and Power of a Contested Landscape“, in Nordic Landscapes: Region and Belonging on the Northern Edge of Europe, hg. v. Michael Jones u. Kenneth Olwig, Minneapolis: University of Minnesota Press, 2008, 12–49. Übersetzung für diese Publikation.
11 Ingold, Tim: Eine kurze Geschichte der Linien, übers. v. Quirin Rieder, Göttingen: Konstanz University Press, 2021, 18.
12 Gibson, 70.
13 Vgl. Ingold, Tim: „Earth, Sky, Wind and Weather“, in Being Alive: Essays on Movement, Knowledge and Description, London/New York: Routledge, 2011, 115–125, hier: 115–119. Übersetzung für diese Publikation.
14 Siza, Alvaro: Architecture Writings, hg. v. Antonio Angelillo, Mailand: Skira, 1997, 47. Übersetzung für diese Publikation.
15 Vgl. Pallasmaa, Juhani: Die Augen der Haut: Architektur und die Sinne, übers. v. Andreas Wutz, Los Angeles: Atara Press, 2013, 80–81.
16 Vgl. Gibson, 16 u. 114.
17 Klee, Bildnerische Gestaltungslehre, 8, http://www.kleegestaltungslehre.zpk.org/ee/ZPK/BG/2012/01/02/008/. Abschrift hier laut Transkription.
18 Heidegger, 151.
19 Ebd.
20 Ebd., vgl. 153.
21 Gibson, 70.
22 Gell, Alfred: Art and Agency: An Anthropological Theory, Oxford: Clarendon, 1998, 16. Übersetzung für diese Publikation.
23 Vgl. u.a.: Gosden, Chris: „What do objects want?“ in Journal of Archaeological Method and Theory 12, Nr. 3 / 2005, 193–211; Henare, Amiria et al. (Hg.): Thinking through Things: Theorising Artefacts Ethnographically, London/New York: Routledge, 2007; Knappett, Carl: Thinking Through Material Culture: An Interdisciplinary Perspective, Philadelphia: University of Pennsylvania Press, 2005; Knappett, Carl u. Lambros Malafouris (Hg.): Material Agency: Towards a Non-Anthropocentric Approach, New York: Springer, 2008; Latour, Bruno: Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft. Einführung in die Akteur-Netzwerk-Theorie, übers. v. Gustav Roßler, Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 2007; Miller, Daniel (Hg.): , Durham: Duke University Press, 2005; Tilley, Christopher: The Materiality of Stone: Explorations in Landscape Phenomenology, Oxford: Berg, 2004.
24 Vgl. Ingold, Tim: „Materials against Materiality“, in Archaeological Dialogues 14, Nr. 1 / 2007, 1–16.
25 Vgl. Tilley, Christopher: „Materiality in Materials“, in Archaeological Dialogues 14, Nr. 1 / 2007, 16–20, hier: 17.
26 Pollard, Joshua: „The Art of Decay and the Transformation of Substance“, in Substance, Memory, Display: Archaeology and Art, hg. v. Colin Renfrew et al., Cambridge, UK: McDonald Institute for Archaeological Research, 2004, 47–62, hier: 48. Übersetzung für diese Publikation.
27 Olsen, Bjørnar: „Material Culture after Text: Re-Membering Things“, in Norwegian Archaeological Review 36, Nr. 2 / 2003, 87–104, hier: 88. Übersetzung für diese Publikation.
28 Pollard, 60.
29 Deleuze u. Guattari, 565. Hervorhebung im Original.
30 Elkins, James: What Painting Is, London: Routledge, 2000, 23. Übersetzung für diese Publikation.
31 Ebd., 19.
32 Alberti, Benjamin: „Destabilising Meaning in Anthropomorphic Forms of North-West Argentina“, in Overcoming the Modern Invention of Materials Culture, hg. v. Vítor Oliveira Jorge u. JulianThomas. Sonderausgabe von Journal of Iberian Archaeology 9/10, Porto: ADECAP, 2007, 209–223, hier: 211. Übersetzung für diese Publikation.
33 Vgl. Sheets-Johnstone, Maxine: The Primacy of Movement,Amsterdam/Philadelphia: John Benjamins, 1998, 358–361.
34 Gell, 13.
35 Deleuze u. Guattari, 511.
36 Hallam, Elizabeth u. Tim Ingold, „Creativity and Cultural Improvisation: An Introduction“, in Creativity and Cultural Improvisation, hg. v. ders., Oxford: Berg, 2007, 1–24, hier: 3. Übersetzung für diese Publikation.
37 Deleuze u. Guattari, 425.
38 Ebd., 399–400.
39 Ebd., 425.
40 Ebd., 354.
41 Darwin, Charles: Die Entstehung der Arten im Thier- und Pflanzen-Reich durch natürliche Zuchtwahl, oder Erhaltung der vervollkommneten Rassen im Kampfe um’s Daseyn, übers. v. H. G. Bronn u. J.V. Carus, Stuttgart: Schweizerbart, 1867, 571.
42 Hägerstrand, Torsten: „Geography and the Study of the Interaction between Nature and Society“, in Geoforum 7 / 1976, 329–334, hier: 332. Übersetzung für diese Publikation.
43 Lefebvre, Henri: The Production of Space, übers. v. Donald Nicholson-Smith, Oxford: Wiley-Blackwell, 1991, 117. Übersetzung für diese Publikation. Vgl. ders.: Die Produktion des Raums, hg. v. Tim Trzaskalik, übers. v. Annett Busch, Leipzig: Spectormag GbR, 2023.
44 Vgl. Latour, Bruno: „On Recalling ANT“, in Actor Network Theory and After, hg. v. John Law u. John Hassard, Oxford: Wiley-Blackwell, 1999, 15–25, hier: 15.
45 Vgl. Ingold, Tim: „When ANT Meets SPIDER: Social Theory for Arthropods“, in Material Agency, hg. v. Knappett u. Malafouris, 209–215, hier: 210–11.
46 Latour, 306.
47 Vgl. Deleuze u. Guattari, 358.
48 Vgl. Rayner, Alan: Degrees of Freedom: Living in Dynamic Boundaries, London: Imperial College Press, 1997.
49 Hallowell, Alfred Irving: Culture and Experience, Philadelphia: University of Pennsylvania Press, 1955, 88. Übersetzung für diese Publikation.
50 Bateson, Gregory: Die Ökologie des Geistes, übers. v. Hans-Günter Holl, Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1983, 583.
51 Clark, Andy: Being There: Putting Brain, Body, and World Together Again, Cambridge, MA: MIT Press, 1997, 53. Übersetzung für diese Publikation.