Vollendete Zukunft | Future Perfect — Jahrespublikation 2021

Verlag für moderne Kunst, Wien, 2022
Paperback mit offener Fadenheftung, 19 × 26 cm, 88 Seiten, zahlreiche Farbabbildungen
ISBN 978-3-903439-03-0
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Herausgeber*innen: Gudrun Ratzinger & Franz Thalmair
Texte: Julia Grillmayr, Lina Morawetz, Gudrun Ratzinger & Franz Thalmair
Übersetzung: Christine Schöffler & Peter Blakeney | www.whysociety.org
Beigefügte Plakate: Anetta Mona Chişa & Lucia Tkáčová, Katrin Hornek, Nika Kupyrova
Gestaltung: Studio Kehrer | www.studiokehrer.at

 
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Von Zeitachsen, die sich verzweigen
Spekulationen auf eine (niemals) vollendete Zukunft
Von Julia Grillmayr

„Die letzte Zeit / die ich lernte / als Kind / war die Vorzukunft.“ So beginnt Erich Frieds Gedicht Futurum exactum, das der Schaurigkeit des Futur II nachfühlt: „Ich weiß noch / ich verstand nicht / wieso hieß sie / Zukunft. / Sogar die Vorvergangenheit / klang nicht halb so / vergangen.“ Das lyrische Ich, eingeschüchtert vor einer Endgültigkeit, die eintreten wird, versucht sich durch Übung an dieses unheimliche Tempus zu gewöhnen: „Ich sagte laut / ohne mich sicher zu fühlen / Ich werde gelebt haben / Ich werde gegangen sein.“ Die Vorzukunft – auch Futur II, Futurum exactum oder Vollendete Zukunft –, jene grammatische Zeitform, die ein zukünftiges Ereignis beschreibt, das bereits stattgefunden haben wird, hat einen düsteren Beigeschmack. In jedem Futur II scheint ein Memento mori zu stecken; „Ich werde gelebt haben“…
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